Rechtsanwalt Czabański

Marcin Czabański, Stettin

bis 30.6.2015

In Polen gelten gleich­zeitig drei verschie­dene Versionen des Strafrechts.

 

Das „alte“ Straf­recht galt seit Polen seine Souve­ränität wieder­erlangte.
Es gilt auch weiterhin für Prozesse, die vor dem 1. Juli 2015 begonnen wurden. Das „neue“ Straf­recht gilt für Prozesse, die zwischen dem 1. Juli 2015 und dem 14. April 2016 begannen. Das „neueste“ Straf­recht gilt für neue Prozesse ab 15. April 2016. Maßgebend ist der Zeit­punkt des Ein­gangs der Anklage beim Gericht.

Für Mittel­europäer, die ein liberales Straf­recht gewohnt sind, ist das pol­nische Straf­recht ver­wirrend. Was in den west­lichen EU-Ländern erlaubt ist, kann in Polen verboten sein, und umge­kehrt. In Polen berührt Vieles, was in den west­lichen EU-Ländern Privatsache ist, die öffent­liche Ordnung und kann eine Straf­verfolgung auslösen. Die Staatsanwaltschaft hat Rechte, die woanders den Gerichten vorbe­halten sind. Sie kann z. B. das Besuchs­recht von Familienange­hörigen eines Inhaftierten ohne Begrün­dung aufheben. Darüber kann man monate­lang streiten, bis die Staatsanwalt­schaft nicht mehr daran interessiert ist und das Verbot freiwillig aufhebt.

Andererseits unterwirft sich Polen ausländischen Gerichts­entscheidungen in größerem Maße als woanders üblich. So muss eine im Aus­land gegen einen polnischen Bürger verhängte Freiheits­strafe in Polen voll­streckt werden, auch wenn nach dem pol­nischen Recht für die abgeur­teilte Straf­tat eine kürzere Freiheits­strafe verhängt worden wäre. In einem solchen Fall wurde ein polnischer Staats­bürger nach Groß­britannien aus­geliefert, um dort seine Haft­strafe anzutreten.

Der Beschuldigte oder seine Verteidiger können erst am Ende des Ermittlungsverfahrens Einsicht in die Akten nehmen, um zu erfahren, welchen Beweis­stoff die Staats­anwalts­chaft gesammelt hat.

Der im Zusammenhang mit der Steuer­affäre um Uli Hoeneß fest­genommene Bank­angestellte, ein Schweizer, soll nach Deutsch­land ausge­liefert werden. Die Vorbe­reitungen dafür liefen, teilte die Warschauer Staatsanwaltschaft mit (Stand: Februar 2016). Das Bezirksgericht habe einen Haft­befehl abgelehnt, dem Mann aber verboten, das Land zu ver­lassen. Zudem sei sein Pass ein­gezogen worden und er habe eine Kaution in Höhe von 250.000 € hinterlegen müssen.

Es ist davon aus­zugehen, dass Polen aus­liefert, wenn der Verdacht einer Steuer­straftat besteht und ein inter­nationaler Haft­befehl vorliegt.

Verur­teilte Straf­täter kön­nen auf Antrag mit einer elektro­nischen Fußfessel über­wacht werden an­stelle eines Voll­zugs im Gefäng­nis. Dies ist mög­lich, wenn eine Freiheits­strafe von maximal einem Jahr verhängt wurde.

Die Fuß­fessel dient der Kon­trolle, ob der Verur­teilte sich ohne Geneh­migung von einem zuge­wiesenen Ort entfernt oder sich einer be­stimmten Person bzw. einem be­stimmten Ort nähert.

 

In den letzten Jah­ren wurden Straftat­bestände eingeführt, die es früher in Polen nicht gab:

  • Straftaten gegen die sexuelle Selbst­bestimmung, wenn sie an Minder­jährigen verübt werden,
  • inzestuöse Vergewaltigung,
  • durch Gewalt, Drohung oder List er­möglichte Auf­nahmen nackter Per­sonen oder bei sexueller Tätigkeit,
  • Veröffent­lichung solcher Aufnahmen,
  • Propagieren oder Billigen von pädo­philem Verhalten,
  • Anbieten sexueller Hand­lungen an Minder­jährigen im Internet,
  • Kontaktaufnahme mit Minder­jährigen zu pädophilen Zwecken,
  • Herstellung oder Verkauf von Gegen­ständen, die Träger totalitärer, kommunis­tischer oder faschis­tischer Symbolik sind.

 

Sexuell mot­ivierte Straf­täter können einer medizi­nischen Therapie und einer pharm­akologischen Behandlung zur Senkung des Sexual­triebes unterzogen werden.

 

Warnung:
Diese Zusammenfassung bietet nur einen Überblick.
Betroffene sollten sich anwaltlich beraten lassen.